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Schöne neue Bilderwelt

07.06.2018

Das soziale Netzwerk Instagram boomt und längst hat sich dort eine eigene Bildsprache entwickelt, von der auch Broschüren und andere gedruckte Erzeugnisse beeinflusst werden. Was macht diese neue Bilderwelt so attraktiv und welchen Einfluss hat sie auf die Ästhetik touristischer Fotografie?

Von Claudia List

Schon immer haben Bilder Menschen zu Reisen inspiriert. Ob Landschaften, Städte oder Bauwerke:  Fotos können beim Betrachter den Wunsch wecken, diese Szene einmal mit eigenen Augen zu sehen. Touristiker nutzen diese Impulse in Print-Magazinen, auf Webseiten und Facebook-Accounts für ihre Region – und auch auf Instagram.

Das Netzwerk dient im Wesentlichen dazu, Fotos zu teilen, und ist im vergangenen Jahr so rasant wie keine andere soziale Plattform gewachsen. Im Herbst vergangenen Jahres meldete Instagram weltweit rund 800 Millionen aktive Nutzer monatlich, in Deutschland waren es nach letztem offiziellem Stand rund 15 Millionen aktive Nutzer. 500 Millionen Menschen auf der Welt verwenden ihre Instagram-App sogar täglich, darunter auch 3,7 Million Deutsche.

Der Run auf Instagram-Hotspots

Instagram kann dafür sorgen, dass Menschen Sehnsuchtsorte besuchen wollen. Und mehr noch: Dass sie am liebsten dasselbe Foto machen wollen, um es dann auf dem eigenen Account teilen zu können.

Beobachten lässt sich das beispielsweise an der Rakotzbrücke im sächsischen Kromlau: Wenn sich der runde Steinbogen im Wasser spiegelt, sieht das aus, als schließe sich ein Kreis. „Als ich dort ankam, drängten sich bereits zehn Menschen an derselben Stelle, um die Brücke zu fotografieren, und über ihren Köpfen kreiste eine Drohne“, erzählt der Ulmer Fotograf Günther Bayerl, der auch schon für die Staatlichen Schlösser und Gärten, den Schwäbische Alb Tourismusverband und das Archäologische Landesmuseum fotografiert hat.

Im Web kursieren Listen der „most instagramable countries“ – ein Kriterium, das bei 40 Prozent der zwischen 18- und 33-Jährigen bei der Wahl des Urlaubsziels die wichtigste Rolle spielt, wie eine Befragung der britischen Versicherungsgesellschaft Schofields Anfang 2017 ergab. Städte und Regionen melden die Top Ten ihrer beliebtesten Instagram-Motive. Unter den zehn beliebtesten deutschen Sehenswürdigkeiten auf Instagram in Deutschland ist Baden-Württemberg mit dem Europa-Park auf Platz 5 vertreten, wie das Statistik-Portal Statista im vergangenen Jahr über die Zahl der Hashtags ermittelt hat.

Die Kunst der Bildbearbeitung

Was die App vom Start weg so beliebt gemacht hat: Fotos lassen sich leicht bearbeiten und über Filter verändern, Motive ohne komplizierte Bildbearbeitungsprogramme aufwerten. Erfolgreiche Instagramer sind oft auch keine ausgebildeten Fotografen. „Viele sind Autodidakten, die zu Beginn nur das Handy nutzen, doch mit der Zeit steigt der Anspruch an die eigenen Bilder und sie kaufen sich eigene Kameras“, bestätigt der Stuttgarter Constantin Schiller. Auch er kam als Jugendlicher eher zufällig zur Fotografie, inzwischen kooperiert er als Instagramer unter anderem mit der TMBW.

Die Möglichkeiten wurden zu Beginn intensiv genutzt, Filter sehr auffällig eingesetzt. Das hat nachgelassen – was aber nicht heißt, dass die Fotos nicht intensiv bearbeitet sind mit verschiedenen Programmen und Apps. „Perspektive, Beleuchtung und Bildausschnitt sind von Amateurfotografen noch nie so stark beachtet worden wie heute, die Kunst der Bildbearbeitung hat sich zum wichtigsten Faktor entwickelt“, erklärt Gary Payn, Creative Director bei Jung von Matt am Neckar.

Wanderer über dem Nebelmeer

Erfolgreiche Bilder auf Instagram haben auch häufig einen bestimmten Look. Mal sind es Aufnahmen im Vintage-Stil, mal Motive in pastelligen Tönen – insbesondere bei Stillleben. Landschaften sind opulent, bläulich oder nebelig, mit entsättigten Farben inszeniert. Ein Trend, an dem die erfolgreichen German Roamers nicht unbeteiligt waren. Hinter dem Namen steckt eine Gruppe von 14 jungen Mitgliedern aus ganz Deutschland, die mit ihrer Outdoor-Fotografie eine riesige Anhängerschaft aufgebaut haben.

Teilweise sind ihre Aufnahmen gestaltet nach dem Caspar-David-Friedrich-Prinzip, wie Fotograf Günther Bayerl erklärt: Ein Mensch in Rückenansicht vor einer umso tiefer wirkenden Landschaft, wie sie schon der Maler der Romantik häufig für seine Kompositionen genutzt hat – allen voran in seinem bekanntesten Gemälde Der Wanderer über dem Nebelmeer.

Stichwort Nebel: Oft sind es gerade Landschaftsbilder mit dunklen Wolken oder stimmungsvollen Nebelschwaden, die auf Instagram besonders erfolgreich sind. Hier zeichnet sich bereits ein grundlegender Wandel in der touristischen Fotografie ab, mit Auswirkungen auf andere Bereiche des touristischen Marketings. Die Zeit der endlosen Schönwetterbilder mit blauem Himmel und Postkartenmotiven scheint vorerst vorbei zu sein.

Wandel der touristischen Fotografie

Ein klar formuliertes Thema und eine eigene Handschrift, die oft durch die Bearbeitung und Tonalität erreicht wird, sind auf Instagram wichtig, wenn man Follower gewinnen will. Im Idealfall erkennt ein Nutzer beim Durchscrollen auf einen Blick, dass es das Werk eines bestimmten Instagramers ist.

Auch nach Ansicht des Werbeexperten Gary Payn hat sich die Rolle der Fotografen verändert: „Sie wurden vom Gejagten zum Jäger, der nun selbst Trends von einflussreichen Nutzern aufspüren muss, um sie in Werbekampagnen und redaktionellen Shootings umzusetzen.“ So haben Fotografen mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass renommierte Bildagenturen ihre Landschaftsaufnahmen eher annehmen, wenn sie – wie die Instagramer – eine Person mit abbilden.

Agenturen haben wiederum durchaus Kunden, die für ihre Printprodukte genau diese Motive anfragen. Dies bestätigt Irene Baumann, Art-Direktorin bei Mauritius Images, einer Münchner Bildagentur, die viele Kontakte im Tourismus und zu Reiseführer-Verlagen hat. „Es besteht aber die Gefahr, dass sich solche Motive sehr schnell abnutzen“, warnt sie. Auch der Fotograf Günther Bayerl sieht diese Entwicklung kritisch: „Die Trends sind schnelllebig, werden zigfach kopiert und die Bilderflut führt dazu, dass sich Motive, wie beispielsweise die Burg Eltz, die von zig Instagramern dramatisch inszeniert wurde, völlig abnutzen.“

Echte, ungestellte Bilder rücken auch bei der Vermarktung von Reisezielen zunehmend in den Fokus: „Authentische Szenen, die spontan wirken und typisch für Instagram sind, werden nachgefragt“, erklärt Irene Baumann. Gemeint ist zum Beispiel das Foto aus dem Straßencafé oder einer Bar. Die viel beschworenen Geheimtipps, nach denen Touristen suchen, müssen sich auch im Bild zeigen.

Instagramer gehen oft auch anders ans Thema ran: „Klassische Fotografen verwenden sehr viel Zeit für ein Foto, das sieht man dem Ergebnis auch an“, erklärt Constantin Schiller, „ich hingegen brauche viel Zeit fürs Location Scouting, also für die Suche nach Motiven, die nicht jeder Tourist hat, aber das Fotografieren ist dann schnell erledigt.“


Über diesen Text
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Der Beitrag unserer Autorin Claudia List ist eine Kurzfassung ihres Artikels in der jüngsten Ausgabe des Magazins Tourismus Aktuell. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos abonniert werden.

Ansprechpartner:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Martin Knauer
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Pressesprecher
E-Mail: m.knauer@tourismus-bw.de
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