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Der Kirchturm

11.06.2018

Sie erzählen eine individuelle Geschichte, sie bürgen oft für regionale Verankerung und erzeugen Heimatstolz: Kirchtürme. Und der eigene ist sowieso der schönste! Im Tourismusmarketing sind Kirchtürme freilich längst zum Synonym für kleinteilige Strukturen und kleinteiliges Denken geworden.

Wer mit Tourismus zu tun und nur den eigenen Kirchturm im Blick hat, der ist schon verloren. Denn die Kunden und Gäste werden ihn über kurz oder lang abstrafen. Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinweg ist keineswegs nur gelebte Solidarität, es nützt  allen. In guten Zeiten wie diesen – die Konjunktur brummt, die Gästezahlen steigen – scheint diese Binsenweisheit gelegentlich aus dem Blick zu geraten. In den vergangenen ein, zwei Jahren sind nicht wenige Kommunen aus einer Tourismusgemeinschaft ausgestiegen oder haben es vor, weil sie glauben, es selber und allein besser machen zu können. Ein Trugschluss. Dagegen ist offenbar niemand gefeit, nicht im Schwarzwald, nicht im Kraichgau, nicht anderswo. Gemeinschaftlich kommt man indes immer weiter – finanziell und budgetär, dank Arbeitsteilung und größerer Professionalität, durch mehr Stimmgewalt und größeres Gewicht (zum Beispiel gegenüber Politik und Institutionen).

Aber was bestimmt die Größe einer Tourismusorganisation? Eine Mindestgröße, zu messen etwa an der Zahl der Übernachtungen, ist sicherlich ein Kriterium. Kulturräumliche und geographische Gegebenheiten sind gleichfalls wichtige Grundvoraussetzungen, genauso wie Angebotsstruktur, bearbeitete Zielgruppen und Themenschwerpunkte. Kommunale oder reine Verwaltungsgrenzen können, sollten aber nicht das einzige Kriterium sein.  Zu oft stehen jedenfalls persönliche und politische Eitelkeiten sachgerechten Lösungen im Wege. Und manchmal auch ganz menschliche Beharrungskräfte: Wer möchte schon seinen Job verlieren oder seine Funktion abgeben? Doch selbst dafür gibt es einen Ausweg: Wenn Verantwortung, Zuständigkeiten und Aufgaben (nur) neu verteilt werden, muss niemand um seine Existenz bangen. Schließlich gedeiht der Tourismus, und die Arbeit wird nicht weniger. Ziel sollte es unter Nachbarn sein, sich enger auszutauschen und gemeinsame Strategien zu erarbeiten. Schon das allein kann ein großer Schritt zu mehr Professionalität und mehr Kundenorientierung sein.

Außerdem muss nicht jede Tourismusorganisation zwanghaft eine Destinationsmarke entwickeln. So etwas fällt schließlich nicht vom Himmel. Von dieser Mühsal befreit, kann man so schon viel erreichen, sehr viel sogar – durch Teamgeist, „grenzenloses“ Denken und die Bündelung der gemeinsamen Kräfte. Die Gäste werden’s danken. Die Zahl derjenigen nämlich, die nur den einen Kirchturm sehen wollen, wird immer kleiner.

Zugegeben, das klingt alles recht banal. Und kann doch nicht oft genug gesagt werden.

Braun bloggt – Andreas Braun schreibt an dieser Stelle über Fragen rund um den Tourismus. Es sind Einwürfe und Gedanken. Reaktionen sind erwünscht, auch Widerspruch. Das Ziel: ein fruchtbarer Diskurs über unsere Branche und darüber, was uns umtreibt.

 



Autor(in): Andreas Braun
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Geschäftsführer
E-Mail: a.braun@tourismus-bw.de
Telefon: +49 (0)711 / 23858-20
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Ein Kommentar

Kommentare




  1. Mareike Gerz sagt:

    Vielen Dank für diesen treffenden Beitrag. Sie schreiben uns aus der Seele. Hoffentlich fällt ihr Artikel noch auf viel fruchtbaren Boden…

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