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China: Ein Markt mit riesigem Potenzial

31.10.2019

Die Vorlieben chinesischer Gäste haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt: Sie interessieren sich mehr für Natur und Kultur, bleiben auch mal länger in einem Land und sind experimentierfreudiger beim Essen. Wer sich um diesen aussichtsreichen Quellmarkt bemüht, sollte sich aber auf die digitalen Bezahlmethoden der Chinesen einstellen.

Von Claudia List

In Metzingen spielen Chinesen die Hauptrolle. „Rund 40 Prozent unserer vier Millionen Besucher im Jahr stammen aus Nicht-EU-Ländern – und davon wiederum mehr als die Hälfte aus China“, erklärt Yunyi Wu, die bei der Outletcity Metzingen für den chinesischen Markt zuständig ist. Das heißt: Jeder fünfte Kunde dort stammt aus dem Land in Fernost.

Die Kauflust steigt zwar nicht mehr parallel zum Wachstum der Besucherzahlen, der Trend ist etwas abgeschwächt. Trotzdem ist Shopping nach wie vor die beliebteste Freizeitaktivität der Chinesen in Deutschland, wie es in der Marktinformation „Incoming-Tourismus Deutschland 2018/2019 China/Hongkong“ der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) heißt.

Da sie zuhause hohe Konsumsteuern bezahlen und von günstigen Wechselkursen profitieren, ist das Einkaufen im Ausland besonders attraktiv. Dabei denken die Chinesen nicht nur an sich selbst. „Sie kaufen viel für die Familie und ihre Freunde. Es wird erwartet, dass sie von der Reise Geschenke mitbringen, das ist viel wichtiger als hierzulande“, erklärt Yunyi Wu, die für die Holy AG, die Betreiberin der Outletcity, als Sales & Tourism Managerin arbeitet.

Chinesen reisen inzwischen individueller

Mittlerweile suchen die Besucher aus China gezielt nach bestimmten Produkten und informieren sich vorab im Internet darüber. „Sie sind viel erfahrener geworden“, sagt Yunyi Wu. Das betrifft auch ihr Reiseverhalten insgesamt. Die Reisegruppen sind häufig kleiner geworden und viele sind inzwischen ganz auf eigene Faust unterwegs.

Die TMBW kümmert sich verstärkt um diesen Markt und hat mit Vivian Chow seit Mai 2018 eine neue Repräsentantin in China. Erst im vergangenen Juni war sie mit Partnern aus dem Hochschwarzwald, Baden-Baden und Metzingen in China unterwegs und ist bei den dortigen Reiseveranstaltern auf großes Interesse gestoßen. Weil China eine Firewall um das eigene Internet geschlossen hat, baut die TMBW derzeit eine Webseite mit einer chinesischen Domain auf.

In Baden-Württemberg gehört China heute zu den zehn wichtigsten Quellmärkten. 2018 sorgten die Chinesen nach Angaben des Statistischen Landesamts für insgesamt 369.337 Übernachtungen. Damit waren sie nach den Vereinigten Staaten (751.208 Übernachtungen) der zweitwichtigste Quellmarkt außerhalb Europas.

Auf Platz eins liegt dabei Stuttgart mit 68.554 Übernachtungen, gefolgt von Heidelberg (31.202 Übernachtungen). Diese beiden Städte sowie Baden-Baden, der Schwarzwald und der Titisee sind auch die Reiseziele, die in China am bekanntesten sind, so die Erfahrung der TMBW-Repräsentantin Vivian Chow.

Thorsten Rudolph, Geschäftsführer der Hochschwarzwald Tourismus GmbH (HTG), ist schon längere Zeit auf dem chinesischen Markt aktiv. Zum ersten Mal war er im Jahr 2000 dort: „Damals sind hunderte Reisebüroagenten auf uns eingestürmt. Sie waren wissbegierig, konnten kaum Englisch und haben unsere Prospekte abgeräumt. Heute sind die Agenten viel gereist, kennen sich aus und fragen viel zielgerichteter.“

Auch die Reisenden sind seiner Ansicht nach heute viel erfahrener und auch bereit dazu, tiefer in eine Region einzutauchen. „Wir haben zwar immer noch viele Tagestouristen, die auf ihrer Tour durch Deutschland nur ein paar Stunden bei uns Station machen“, räumt er ein, „das ist für uns aber auch eine gute Gelegenheit, sie zu gewinnen, denn wenn es ihnen gefallen hat, kommen sie vielleicht für einen längeren Aufenthalt wieder.“

Auch der Titisee ist vielen ein Begriff. Das familiengeführte Touristikunternehmen Drubba, das dort Boote verleiht, Einkaufs-, Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants unterhält, hat allerdings einiges dafür getan, das Ziel in den Europa-Reiserouten der Chinesen zu etablieren. Schon seit Mitte der 90er-Jahre akquiriert Drubba gezielt Reisegruppen aus China, zunächst auf eigene Faust mit einem Dolmetscher.

„Ab dem Jahr 2000 hatten wir dann einen in Deutschland lebenden Chinesen für unser Unternehmen gewinnen können, der im Wesentlichen für den Aufbau des Marktes bis heute verantwortlich ist“, erklärt Olaf Drubba. Waren es vor 20 Jahren noch weniger als 5.000 Gäste pro Jahr, kann der Geschäftsführer heute jährlich rund 60.000 Tages- und Übernachtungsgäste aus China in seinen Häusern begrüßen: „Sie lieben den See, das saubere Wasser und die romantische Morgen- und Abendstimmung.“

Steigendes Interesse an regionalen Spezialitäten

Viele chinesische Großstädte versinken im Smog, da kann der Schwarzwald mit guter Luft, Landschaft und Ruhe punkten. Generell ist das Interesse an der Natur da, große Wanderungen sind aber in aller Regel nicht gefragt. „Den meisten genügen dabei zwei bis drei Stunden“, sagt Vivian Chow, „und sie wollen nicht mehrere Tage am Stück wandern.“ Viel wichtiger sei es, ihnen Abwechslung zu bieten und jeden Tag etwas anderes anzubieten – ob Wandern, Radfahren, Museen, Sehenswürdigkeiten oder gar einen Kuckucksuhren-Workshop, wie im Hochschwarzwald. Kultur ist ebenfalls ein wichtiges Thema, Schlösser und alte Fachwerkstädte sind bei ihnen gefragt. Außerdem wollen die chinesischen Gäste das regionale Essen und den Wein probieren.

Groß ist auch das Interesse an den Spezialitäten des Landes und im Gegensatz zu früher ist es nicht mehr so wichtig, dass es auch chinesisches Essen gibt. Am Titisee bietet das Unternehmen Drubba seinen Gästen zwar chinesische Gerichte an, versteht das aber nur als Abrundung des Angebots. Hauptsächlich probieren sie im Brauhaus zur Mühle die „für Deutschland als typisch angesehenen Gerichte von der Bratwurst über die Forelle bis zum Haxenmenü“, erklärt Olaf Drubba.

Digitales Bezahlen mit Alipay und Wechat

Ganz gleich, was sie essen, auf eines wollen die Reisenden ungern verzichten: ihre mobilen Bezahlsysteme. Kreditkarten spielen in China keine Rolle und selbst mit Bargeld kann es passieren, dass man am Kiosk keine Flasche Wasser kaufen kann, wie Vivian Chow erläutert. Ob auf dem Gemüsemarkt oder im Taxi: Statt Geldbörse zücken die Chinesen ihr Smartphone. Alipay und Wechat Pay sind dabei die am meisten verbreiteten Apps und wer Umsatz mit chinesischen Gästen machen will, tut gut daran, sich darauf einzustellen. So bieten immer mehr Geschäfte in Metzingen – neben Chinesisch sprechenden Mitarbeitern ­– die Möglichkeit an, per Handy zu bezahlen.

Auch Armin Dellnitz, Geschäftsführer von Stuttgart-Marketing, hält das für wichtig und kooperiert dazu mit dem deutschen Finanzdienstleister Wirecard, der Alipay und Wechat Pay hierzulande etablieren will. Mit über 100 Restaurants, Läden und Museen, die diese digitalen Bezahlmethoden mittlerweile akzeptieren, wurde Stuttgart in diesem Frühjahr zur ersten offiziellen „China Pay City“ erklärt und wirbt damit auch auf dem chinesischen Markt.

Das Kaufhaus-Unternehmen Breuninger aus Stuttgart ist ebenfalls dabei – und präsentiert sich auf Wechat überdies mit einem eigenen Kanal. Die Affinität der Chinesen zu sozialen und digitalen Medien ist groß und über das Bezahlen hinaus nutzen Chinesen die Plattform für Nachrichten, Videoanrufe, um Essen zu bestellen, Reisen zu buchen und einzukaufen. Deshalb sind auch die TMBW und Metzingen auf eigenen Wechat-Kanälen aktiv.

Für die Outletcity auch eine gute Möglichkeit, Chinesen ganz gezielt mit Shopping-Aktionen für beliebte Urlaubszeiten zu locken: Etwa während des chinesischen Frühlingsfestes, das auf Januar/Februar fällt, oder rund um den Nationalfeiertag am 1. Oktober, wenn viele Chinesen eine Woche lang frei haben. „Goldene Woche“ wird diese Zeit genannt.  Dann kann die Outletcity besonders viele Gäste aus China begrüßen und selbst eine „goldene Woche“ erleben.

Über diesen Text:

Der Beitrag unserer Autorin Claudia List ist eine Kurzfassung ihres Artikels in der jüngsten Ausgabe des Magazins Tourismus Aktuell. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Martin Knauer
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Pressesprecher
E-Mail: m.knauer@tourismus-bw.de
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