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Outdoor ist in

06.12.2019

Raus in die Natur: 2020 steht der „Wilde Süden“ im Mittelpunkt der touristischen Vermarktung Baden-Württembergs. Die Möglichkeiten, das Land und seine Destinationen draußen in der Natur zu erleben, sind heute vielfältig wie nie zuvor. Ein Überblick über die neuesten Trends in Baden-Württemberg.

Von Andreas Steidel

Eine Nacht unter freiem Himmel ist etwas Wunderbares. Immer mehr Outdoor- und Naturfreunde suchen dieses Erlebnis, einfach mit dem Schlafsack aufbrechen und sein Nachtquartier dort aufschlagen, wo es einem gerade gefällt. Baden-Württemberg ist groß und hat so viel Landschaft und Natur, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

Ein Problem gibt es dabei allerdings: Wildzelten ist verboten. Im Gegensatz zu Skandinavien darf man hierzulande nicht einfach ein paar Heringe in die Erde rammen, wenn es sich um keinen ausgewiesenen Campingplatz handelt. Viele tun es doch und begehen damit eine Ordnungswidrigkeit. Selbst wer draußen ohne Zelt übernachtet, bewegt sich in einem rechtlichen Graubereich und ist vom Wohlwollen des jeweiligen Försters abhängig.

Der Schwarzwald hat deswegen schon 2016 damit begonnen, sogenannte Trekking-Camps auszuweisen: unbewirtschaftete Übernachtungsplätze in der Wildnis mit Feuerstelle und Toilette, auf denen bis zu drei Zelte Platz finden und die nur zu Fuß erreichbar sind. Man bucht sie im Internet und bekommt die GPS-Daten mitgeteilt, pro Zelt kostet die Nacht zehn Euro. Im Nordschwarzwald gibt es inzwischen sechs solcher Wildniscamps, im Südschwarzwald sollen weitere folgen.

Mikroabenteuer vor der Haustür

Touristiker beobachten schon seit geraumer Zeit, wie die Nachfrage nach authentischen Naturerlebnissen steigt. Dieser Hype hat sehr viel mit dem Namen eines Engländers zu tun: Alastair Humphreys gilt als Erfinder der sogenannten Microadventures, der kleinen Abenteuer vor der Haustür.

Humphreys Verdienst ist es, das Thema Abenteuer von der weiten Welt und den Wüsten Afrikas in die unmittelbare Umgebung geholt zu haben. Frei nach dem Motto: Wer sein persönliches Abenteuer sucht, wird es überall finden und muss dazu nicht den Mount Everest besteigen. Über das Internet und die sozialen Medien hat er zwischenzeitlich eine weltweite Fangemeinde, die ihre eigenen Abenteuer mit Hashtags wie #Microadventure teilt.

Das Besondere dieser neuen Abenteuer ist ihre Niedrigschwelligkeit: Wer die Wildnis im heimischen Wald sucht oder auf dem nächsten Hügel, kann das auch nach Feierabend oder am Wochenende tun. Dabei sind alle Generationen angesprochen: „Auch das klassische Wandern gehört dazu“, sagt Felix Rhein, Themenmanager Natur und Wohlsein bei der TMBW. Was bis vor ein paar Jahren noch eine Sache der älteren Jahrgänge zu sein schien, kommt nun ebenso bei der jüngeren Generation an.

Neue Trends im Wander- und Radtourismus

Dazu trägt auch die Vielzahl neuer Premium- und Qualitätswanderwege bei, die fast allesamt auf naturnahen Pfaden verlaufen. Selbst der bekannte Westweg im Schwarzwald wurde vor seiner Zertifizierung in Teilen wildnisgerecht umgebaut. Ähnliches gilt für den HW1, den Hauptwanderweg des Schwäbischen Albvereins, der heute Albsteig heißt.

Die neue Sehnsucht nach der Natur hat auch auf der Schwäbischen Alb zur Reaktivierung eines fast schon vergessenen Radwegs geführt:  Die knapp 370 Kilometer lange Route Alb-Crossing, die direkt am Albtrauf entlangführt und rund 7.000 Höhenmeter umfasst, soll mit neuem Etappen-Zuschnitt und verbesserter Einbindung von Erlebnisorten wieder beworben werden.

Als sie 2008 eröffnet wurde, war sie eigentlich für Mountainbiker gedacht: Die haben sie aber nie richtig angenommen, weil zu wenig schmale Single-Trails vorhanden waren. Doch der eigentliche Schatz des hauptsächlich geschotterten Weges ist seine Naturnähe: Fast nirgendwo stören belebte Verkehrsstraßen oder Industriegebiete den Verlauf, ideal für all die, die ein Outdoor-Erlebnis suchen, das technisch nicht allzu anspruchsvoll ist.

„Mit dem E-Mountainbike hat sich vieles verändert“, sagt Ursula Teufel, Themenmanagerin Rad bei Schwäbische Alb Tourismus (SAT). Auf einmal ist Bikecrossing auch für die interessant, die bisher schon rein konditionell kapituliert hätten.  Eine weitere Neuerfindung ist das Gravelbike, eine Art geländegängiges Rennrad, grobstollig, aber viel leichter als ein Mountainbike und daher auch für größere Distanzen geeignet. Gerne mal sind sogenannte Bikepacker damit unterwegs, Outdoor-Fans, die mit kleinem Gepäck in die Landschaft hinausradeln und im Freien übernachten.

Action und Abenteuer ohne Flugscham

Abenteuererlebnisse in Baden-Württemberg boomen, das merken auch die kommerziellen Anbieter im Land: So hat sich die Firma Cojote in Köngen bei Esslingen auf Höhlentouren auf der Schwäbischen Alb spezialisiert. Was vor ein paar Jahren noch ein Nebenjob war, ist für Inhaber Jochen Hintz und seine Partnerin Constanze Krauß inzwischen eine hauptberufliche Tätigkeit.

Besonders gefragt ist die Falkensteiner Höhle bei Bad Urach, die einzige wasserführende Höhle in Deutschland, die für Touren geeignet ist. Daneben bietet Cojote Survival-Kurse, Wildniskochen, Bogenschießen und Klettern an. Rund 60 Prozent der Kunden kommen dabei aus der Region, etwa 40 Prozent von außerhalb: Der neue Trend zum Natur-Erlebnis ist in hohem Maße ein binnentouristisches Phänomen.

Das kommt ganz dem Trend entgegen, auf Flugreisen zu verzichten. Für das Abenteuer vor der Haustür kann man aufs Fahrrad steigen oder Busse und Bahnen benutzen. Outdoor for Future, am Freitag nach der Demo kann es losgehen.

„Es sind viele junge Leute unterwegs“, sagt TMBW-Themenmanager Felix Rhein. Die kann man mit Angeboten wie Klettern, Schluchtenwandern und Mountainbiken locken und womöglich für Landstriche interessieren, die sie bisher noch gar nicht auf dem Zettel hatten.

Wandern ohne Wege und Karte

So gibt es bei Bad Herrenalb im Nordschwarzwald seit Kurzem einen Abenteuer-Track, der abseits der klassischen Wanderrouten mitten durch den Wald führt. Die Beschilderung ist spärlich, doch die Wegeführung ein Erlebnis: Abschnittsweise mit Seilen gesichert, geht es durch die Wildnis, die in Absprache mit der örtlichen Forstverwaltung auf zwei Routen für das Projekt erschlossen wurde.

Es ist die enorme Vielfalt, die diesen neuen Trend zum Abenteuer und Naturerleben kennzeichnet: Was früher streng voneinander getrennt war und völlig unterschiedliche Zielgruppen hatte, geht nun immer mehr ineinander über. Die Jungen sind auch für ruhigere Angebote offen und die Älteren mögen es längst nicht mehr so bürgerlich wie ihre Vorfahren.

Renaissance des Waldspaziergangs

Selbst der althergebrachte und mitunter reichlich verstaubt wirkende Waldspaziergang feiert in Form des Waldbadens eine Renaissance. Von manchen belächelt und als alter Wein in neuen Schläuchen bezeichnet, verbergen sich dahinter tatsächlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse:  So haben japanische Wissenschaftler herausgefunden, dass die Terpene von Nadelbäumen in der richtigen Dosierung das Krebsrisiko mindern können.

Der entscheidende Unterschied von Waldbaden und dem bloßen Spazierengehen im Wald ist die Art des Erlebens und des Bewegens: Wer im Wald badet, eilt nicht hindurch, sondern nimmt ihn auf eine bestimmte und bewusste Art und Weise wahr. „Es ist eine Frage der Haltung“, sagt Annette Maria Rieger, die kürzlich ein Buch über das Thema veröffentlicht hat. „Es geht darum, die Sinne zu aktivieren und nicht nur die Füße“, sagt sie, die in ihrer Nordschwarzwälder Heimat jeden Morgen mindestens eine halbe Stunde im Wald unterwegs ist.

Bleibt die Frage, was Touristiker und ihre Verbände tun können, um den Wildnissuchenden das Leben zu erleichtern. „Schöne Spots zeigen, Routenvorschläge machen, Übernachtungsplätze ausweisen“, sagt Felix Rhein von der TMBW. Hinzu kommt ein Punkt, der in der aktuellen Klima- und Ökodiskussion immer wichtiger wird: Die Anreise mit dem öffentlichen Nahverkehr. Immer mehr junge Menschen haben kein Auto und keinen Führerschein, aber einen Bewegungsdrang. Wer ihnen mitteilt, wie sie mit dem ÖPNV ihr Ziel erreichen, ist im Vorteil.

Generell sieht Felix Rhein ein großes Potenzial, was den Outdoor-Tourismus in Baden-Württemberg angeht: „Das Land ist vielfältig, hat Mittelgebirge und riesige Waldflächen.“ Regelmäßig wird bei Befragungen die Natur als Hauptreisemotiv für einen Urlaub in Baden-Württemberg genannt.

Und wer weiß: Vielleicht sind die günstigen Übernachter von heute die Gutverdiener von morgen und kehren mit mehr Geld in jene Regionen zurück, an die sie schöne Erinnerungen aus den Zeiten ihrer kleinen Outdoor-Abenteuer haben.

Über diesen Text:

Der Beitrag unseres Autors Andreas Steidel ist eine Kurzfassung seines Artikels in der jüngsten Ausgabe des Magazins Tourismus Aktuell. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Martin Knauer
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Pressesprecher
E-Mail: m.knauer@tourismus-bw.de


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