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Wer pflegt künftig die Wanderwege?

09.05.2022

Bisher war das Wegemanagement eine Sache der Wandervereine. Doch immer öfter suchen touristische Destinationen nach Alternativen, weil die Zahl der Ehrenamtlichen ebenso zurückgeht wie die der zertifizierten Wanderwege steigt. Das aber kostet Geld.

Vor fünf Jahren hat der Naturpark Stromberg-Heuchelberg ein ehrgeiziges Projekt in Angriff genommen: Die Eröffnung eines lückenlosen Netzes von Rundwanderwegen, das so perfekt beschildert ist, dass sich keiner dort mehr verlaufen kann. „Wander3Klang“ lautete der Titel, 2019 konnte das 500.000 Euro teure Vorhaben abgeschlossen werden.

Die Idee dahinter ist ein System von unkomplizierten Rundtouren, die an verschiedenen Wanderparkplätzen beginnen. Dort hat man jeweils die Wahl zwischen einem kurzen Spazierweg, einer mittelgroßen Runde und einer Tagestour. Da ist für jeden etwas dabei, ein selbsterklärendes Angebot für die Vielzahl der Naherholungssuchenden aus den Ballungsräumen, die spontan eine schöne Wanderroute suchen.

Zwischen rund 60 Touren an über 20 Startpunkten können sie nun wählen, alles ist kompakt auf der Homepage gebündelt und auch für die leicht zu begreifen, die eigentlich keine Lust zu einer aufwendigen Suche haben. „Vorher“, sagt Dietmar Gretter, Geschäftsführer des Naturparks, „musste man sich das alles zusammensuchen, jetzt kann man einfach kommen und loslaufen, ohne Karte und ohne App.“

Entsprechend gut wird das Angebot genutzt, zumal in der Corona-Zeit, in der eine Vielzahl von Menschen auch in dieser Region unterwegs war. Der Unterhalt der Wege ist dabei eine gewaltige und permanente Herausforderung: Fehlt nur ein Schild an einer richtungsweisenden Stelle, ist der Wandertag womöglich gelaufen – und der Eindruck, den man mit nach Hause nimmt, ein ganz anderer.

Das Ehrenamt kommt an seine Grenzen

Dietmar Gretter und sein Team haben von Anfang an beim Wegemanagement externe Dienstleistende mit ins Boot genommen. Agenturen, die zweimal pro Jahr jede der Dreiklang-Touren systematisch abgehen und ihren Zustand im Detail überprüfen. Das war traditionell eigentlich eine Aufgabe der Wandervereine, doch die technischen Anforderungen sind gestiegen und die Zahl der Ehrenamtlichen gesunken: Viele der klassischen Wandervereine leiden an Mitgliedermangel und Überalterung. „Wir können uns aufs Ehrenamt heute nicht mehr ausschließlich verlassen“, sagt Gretter.

Das jedoch hat Konsequenzen und die sind vor allem finanzieller Natur. Wer kommerzielle Anbieter beim Wegemanagement hinzuzieht, muss Geld dafür bezahlen. „Wir brauchen ein Budget“, sagt Gretter und weiß dabei Janine Müller, zuständig für den Bereich Outdoor bei Kraichgau-Stromberg Tourismus, ganz auf seiner Seite.

Naturpark und Tourismusverein haben bei der Realisierung des Projekts Hand in Hand gearbeitet. Beide beobachten dabei mit Sorge, dass zwar sehr oft ausreichend Geld für die Ausweisung neuer Wanderwege da ist, allerdings nur selten für deren Unterhaltung. Doch damit steht und fällt der Erfolg eines anspruchsvollen Wanderkonzepts. Was nützt es, wenn man tolle Wege schafft und sie vermarktet, ihr Zustand binnen kurzer Zeit jedoch schon zu wünschen übrig lässt, weil sich niemand im notwendigen Maße darum kümmert?

Kaum Geld für Qualitätssicherung

Da gibt es Wettereinflüsse, Souvenirjägerinnen und -jäger, die Schilder abschrauben, Spaßvögel, die sie verdrehen, Bäume, die umfallen, und wucherndes Gebüsch, hinter dem Hinweistafeln verschwinden. Die Corona-Zeit hat die Probleme potenziert, noch nie war die Zahl der Wandernden so groß wie in den vergangenen beiden Jahren. Die geben erfreulich viel Feedback, durchaus positives, aber auch negatives, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Das sind wichtige Rückmeldungen, die bei der Qualitätssicherung helfen. Nicht immer ist es freilich einfach zu verstehen, worauf sich das Problem bezieht. „Die Leute schicken Bilder“, sagt Janine Müller, „aber es ist oft schwer nachzuvollziehen, welche Stelle sie genau meinen.“ Eine Lösung des Problems wäre ein System von QR-Codes an den jeweiligen Wegweisern, mit denen die Ausflügler direkt ihre Anmerkungen eingeben können. Den Standort hätte man dadurch automatisch hinterlegt.

Doch das kostet Geld, das nur spärlich fließt, wenn es um die Pflege des Wegenetzes geht. „Es fehlt oft am Bewusstsein der lokalen Politik, dass man dafür Mittel bereitstellen muss“, sagt auch Felix Rhein, der bei der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) für das Thema Wandern zuständig ist. Rhein gibt überdies zu bedenken, dass auch die technischen und rechtlichen Vorgaben heute immens sind, die es zu beachten gilt. Die Datenpflege in einem Geoinformationssystem (GIS) will gelernt sein und überfordert Ehrenamtliche in nicht wenigen Fällen.

Wirtschaftliche Beteiligung ist gefragt

„Premium- und Qualitätswanderwege sind touristische Produkte und das ist nicht unbedingt eine Ehrenamtssache“, sagt Walter Knittel, Geschäftsführer der Donaubergland GmbH. Knittel, selbst Mitglied des Schwäbischen Albvereins, weiß das Engagement der Wegewarte dort zu schätzen, aber er sieht das Modell an seine Grenzen kommen: „Die haben ein großes eigenes Netz zu betreuen und dafür immer weniger Leute“, sagt der Touristiker.

Im Donaubergland setzt man bei den zertifizierten Wanderwegen auf Sponsoring und Firmenpatenschaften. Knittel ist froh über diese Unterstützung und weiß doch, dass generell finanzielle Mittel fürs Wegemanagement bereitgestellt werden müssen, will man sich dauerhaft im Wandertourismus positionieren: „Hinter den Premium- und Qualitätswegen steckt eine Wertschöpfung, also muss man auch nachhaltig in sie investieren.“

Ganz verzichten will und kann man aufs Ehrenamt jedoch weder im Donaubergland noch im Kraichgau oder Naturpark Stromberg-Heuchelberg. Eher geht es um eine Kombinationsstrategie und ein rechtzeitiges Handeln, bevor es zu massiven Engpässen kommt. Im Übrigen weisen alle Verantwortlichen darauf hin, dass selbst das Ehrenamt Kosten verursacht: Aufwandsentschädigungen, Weiterbildungen und Material für fehlende Beschilderung müssen auch finanziert werden, wenn die Pflege ausschließlich von Vereinsmitgliedern betrieben wird.

Die leisten tatsächlich immer noch das Gros der Arbeit im Land: Ohne den Schwarzwaldverein und den Schwäbischen Albverein würde man sich in einem Dickicht von nicht markierten Pfaden verheddern. Doch die stetig wachsende Zahl der Premium- und Qualitätswege ist eine Herausforderung. Auf immer weniger Vereinsmitglieder kommen immer mehr Wandernde. Eine individualisierte Freizeitgesellschaft, die ihren Preis hat – im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Beitrag unseres Autors Andreas Steidel ist eine gekürzte Fassung seines Artikels in der jüngsten Ausgabe des Magazins „Tourismus Aktuell“. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner für “Tourismus Aktuell”:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Tim Müller
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Projektmanager Kommunikation & Koordination
E-Mail: t.mueller@tourismus-bw.de
Kategorien:
Aktuelles


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