Sehnsucht nach Urlaub
Offenbar gehört der Urlaub längst zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Die allermeisten wollen sich diese Auszeit nicht nehmen lassen, schon gar nicht, nachdem sie pandemiebedingt so lange darauf verzichten mussten. Das sieht auch Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) so: „Da bin ich zuversichtlich, für viele ist das eine Kraftquelle, eine wichtige Perspektive.“
So einig sich die Fachleute darin sind, dass die Menschen 2023 auf jeden Fall reisen werden, so unklar ist jedoch, in welchem Umfang sie dies tun. Vor allem die Urlaubslänge, die Häufigkeit und die Ausgaben sind Variablen, die sich angesichts knapper werdender finanzieller Mittel verändern könnten, mit spürbaren Auswirkungen für die Branche.
So stellt auch Christian Leetz, Herausgeber des Branchendienstes Tourismus-News Deutschland, einen Zweckoptimismus bei vielen Verbänden fest: „Man will ja die Lage nicht schlechter reden, als sie ohnehin ist.“ So kommt etwa eine Studie des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) vom Dezember 2022 zu kritischeren Ergebnissen: Dort rangieren Restaurantbesuche und Urlaubsreisen relativ weit oben (Plätze drei und vier), wenn es um die Einspar-Prioritäten der Menschen geht.
27 Prozent der Befragten fühlen sich laut BZT von den gestiegenen Preisen „stark belastet“, bei 20 Prozent steht der Urlaub ernsthaft infrage. Die Hälfte dieser besonders betroffenen Gruppe wolle eventuell ganz aufs Reisen verzichten, der Rest bei den Ausgaben im Urlaub sparen.
Vor allem Letzteres könnte die Urlaubsanbieter treffen. Denn auch weniger pessimistische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Menschen 2023 zwar reisen werden, aber die Preissensibilität erheblich zunehmen wird.
So hat eine Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland im November 2022 ergeben, dass die Lust auf Urlaub zwar zurückgekehrt ist, aber nicht auf demselben Ausgabenniveau wie früher. Vor allem bei Deutschland-Reisen haben die PwC-Meinungsforscherinnen und -forscher eine Tendenz zur Zurückhaltung festgestellt. Zwar würden diese vergleichsweise häufig gebucht, aber mit der Neigung, das Kostenniveau zu senken: Billigere Unterkünfte, Reduzierung der Ausgaben vor Ort, Verkürzung der Aufenthaltsdauer.
Kurzurlaube fallen eher weg
Das könnte vor allem Hotels, Restaurants und Freizeitparks empfindlich treffen, zumal viele Haushalte die Folgen der Kostenexplosion im Energiebereich erst am Ende dieses Winters zu spüren bekommen werden. „Es wird sich auswirken, wir werden ein verschärftes Preisbewusstsein erleben“, sagt auch TMBW-Geschäftsführer Andreas Braun: „Dann bucht man halt eine Kategorie niedriger und streicht den einen oder anderen Kurzurlaub.“
Von dem haben in der Vergangenheit nicht zuletzt viele Ziele in Deutschland profitiert. Das verlängerte Wellnesswochenende oder der kleine Wanderurlaub im eigenen Land ergänzten oft die Haupturlaubsreise im Ausland. Selbst wenn diese also nicht infrage steht, der Zweit- oder der Dritturlaub könnte durchaus davon betroffen sein und ersatzlos gestrichen werden.
Freilich haben sich viele Negativerwartungen der vergangenen Wochen und Monate auch nicht erfüllt. Der Energienotstand ist ausgeblieben und die Gasversorgung nicht zusammengebrochen. Weder mussten Thermen noch andere öffentliche Einrichtungen in nennenswertem Umfang schließen und die Preise an den Tankstellen sind nach steilem Anstieg in den letzten Wochen wieder spürbar gesunken.
So hat sich auch die Stimmung in der Hotel- und Gaststättenbranche deutlich verbessert. Gingen zum Jahresanfang noch 45 Prozent der Befragten von schlechteren Geschäften aus, so waren es Mitte Februar 2023 nur noch 27 Prozent. Das bestätigt auch der Sprecher des DEHOGA-Landesverbandes Baden-Württemberg Daniel Ohl: „Den befürchteten Nachfrageeinbruch hat es nicht gegeben.“ Im Gegenteil, die Gäste kamen in großer Zahl wieder zurück und sind ganz offenbar auch bereit, Geld auszugeben. Das Weihnachts- und Silvestergeschäft sei sehr gut gewesen, bundesweit liegt die Branche Stand Januar 2023 nur noch 6,6 Prozent hinter den Umsätzen des Jahres 2019.