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Was Destinationen für nachhaltige Mobilität tun können

29.03.2023

Mit dem neuen Deutschland-Ticket kommt Schwung in die Debatte um ÖPNV und Mobilität. Doch alles wird nicht schlagartig besser, darin waren sich die Teilnehmenden des jüngsten „TMBW Branchen-Talks“ am vergangenen Montag einig. Rund einen Monat vor der Einführung des neuen, bundesweit gültigen Nahverkehrstickets diskutierte TMBW-Geschäftsführer Andreas Braun mit Fachleuten über anstehende Herausforderungen und Chancen. Dabei ging es vor allem um die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten Tourismusschaffende selbst haben, um nachhaltige Mobilität vor Ort zu verbessern.

Wie stark die Anreise mit dem eigenen Auto weiterhin dominiert, zeigen die jüngsten Auswertungen der FUR-Reiseanalyse, wonach immer noch 70 Prozent der Deutschen bei einer Urlaubsreise in Baden-Württemberg (ab fünf Tagen) den PKW nutzen. Der Bahnanteil liegt bei der Anreise gerade mal bei 11,4 Prozent. Die Bereitschaft, daran etwas zu ändern, ist aber groß, wenn das Angebot stimmt. Laut einer aktuellen Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen wären 55 Prozent der Deutschen grundsätzlich bereit, auf den ÖPNV umzusteigen. In Großstädten liegt die Bereitschaft sogar bei 66 Prozent, auf dem Land mit 47 Prozent deutlich niedriger.

Was ändert sich mit dem Deutschland-Ticket?

Die Mobilitätsexpertin Dr. Andrea Möller von der dwif-Consulting GmbH sieht im Deutschland-Ticket eine echte Chance für Wahrnehmung und Akzeptanz des öffentlichen Nahverkehrs und bezeichnet es als „Booster für all diejenigen, die jetzt schon eine gewisse Affinität zum ÖPNV haben“. Gleichwohl geht sie nicht davon aus, dass Urlaubsgäste im großen Stil umsteigen werden. Rund drei Viertel der im Urlaub den ÖPNV nutzenden Gäste hätten bisher kein Abo und dürften daher auch künftig nicht das Deutschland-Ticket nutzen.

Ein ähnliches Bild zeigt eine Umfrage unter den Teilnehmenden des „TMBW Branchen-Talks“. 58 Prozent der Befragten erwarten durch das neue Ticket eine gewisse Veränderung des Reiseverhaltens, nicht aber den großen Umstieg. Nur rund ein Drittel erwartet einen echten Schub für die Nutzung nachhaltiger Mobilitätsangebote.

Gästekarten behalten ihren Mehrwert

Entsprechend wichtig bleiben die zahlreichen Gästekarten im Land, die durch das neue Ticket nichts an Relevanz verlieren. Davon ist unter anderem Louis Schumann, Geschäftsführer des Schwäbische Alb Tourismusverbands überzeugt: „Der überwiegende Teil unserer Gäste wird in Zukunft ohne das Deutschland-Ticket anreisen und dann gerne die kostenlose ÖPNV-Nutzung in Anspruch nehmen, die unsere AlbCard ermöglicht“. Einen Schub erwartet er hingegen für den Tagestourismus auf die Schwäbische Alb und hofft, dass viele Abonnenten des neuen Tickets öfter mal ihr Auto stehen lassen, „gerade aus den Ballungsräumen, wo mehr Menschen den ÖPNV nutzen“.

Ohne Kooperationen geht nichts

In der Diskussion wurde deutlich, wie wichtig auch in Zukunft ein enger Austausch zwischen Tourismusbranche, Verkehrsverbünden bzw. Verkehrsunternehmen und Kommunen bleiben wird, damit Bedürfnisse und Interessen von Urlaubsgästen immer mitgedacht werden. Ein vorbildliches Beispiel für die Zusammenarbeit über Landkreis- und Verbundgrenzen hinweg stellte Patrick Schreib, Geschäftsführer der Hochschwarzwald Tourismus GmbH aus seiner früheren Tätigkeit für die Nationalparkregion Schwarzwald vor. Dort sei es gelungen, in einer ländlichen Region ein eng getaktetes Liniennetz zu etablieren, um Gäste für eine nachhaltige Anreise zu gewinnen. „Ohne einen klaren politischen Willen wäre das nicht möglich gewesen“, so Schreib, „nur dann kann es gelingen, dass wirklich alle Akteure an einem Strang ziehen und auch mal eigene Interessen zurückstellen“.

Kooperationen werden darüber hinaus auch mit Technologieanbietern immer wichtiger, die zum Beispiel die jeweils passende Mobilitätslösung für den individuellen Bedarf ermitteln. Andrea Möller regte dazu an, sich eng mit Anbietern oder Apps wie Naturtrip auszutauschen, damit Nutzende vor Ort wirklich immer die perfekte Lösung finden können. Die in Baden-Württemberg eingesetzte touristische Datenbank „mein.toubiz“ verfügt bereits über Schnittstellen zu entsprechenden Anbietern sowie zur Nahverkehrsgesellschaft NVBW und integriert somit ÖPNV-Livedaten in das System.

Ausbau des Fuß- und Radverkehrs vorantreiben

Über den ÖPNV hinaus können Tourismusschaffende vor allem vor Ort Einfluss nehmen und Mobilität gestalten. Angebote wie Abholservice, E-Bike-Verleih oder ein E-Carsharing wie im Hochschwarzwald können dazu beitragen, die Herausforderung der „letzten Meile“ Schritt für Schritt in den Griff zu bekommen.

Die Ausbildung von kommunalen Mobilitätsmanagern könne hier vor Ort helfen, ist Andrea Möller überzeugt. Von Parkplätzen über Fahrradverleih bis hin zu Fußwegen hätten diese alle Aspekte der Mobilität vor Ort im Blick. Gerade bei der „Walkability“ in touristischen Gemeinden sieht Möller oft noch Luft nach oben. Zu oft sei es einfach nicht attraktiv genug, sich von der Unterkunft zu Fuß auf den Weg zu machen, etwa um touristische Attraktionen oder gar Wanderwege zu erreichen. Hier könne die Einführung klarer Kriterien für Fußwege helfen, um den Fußverkehr langfristig wieder attraktiver zu machen und auch hier die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Gäste ihr Auto gerne stehen lassen.

Louis Schumann betont die Bedeutung der Rad(fern)wege. Gäste, die mehrere Tage mit dem Rad unterwegs sind, hätten das nachhaltigste Mobilitätsverhalten. „Daher ist es wichtig, dass wir in Baden-Württemberg die Fernradwege neu konzipiert haben und dass wir bei diesem Thema auch künftig ganz vorne mitspielen“, so Schumann.

Mit positiver Kommunikation Anreize schaffen

Neben dem Ausbau der Infrastruktur kann vor allem eine gelungene Kommunikation positive Anreize für die Nutzung nachhaltiger Mobilität schaffen. Darin waren sich alle Gesprächspartner einig.

Louis Schumann skizzierte, wie das Prinzip „ÖPNV first“ auf der Homepage der Schwäbischen Alb umgesetzt wurde: „Die Anreise mit der Bahn steht bei uns ganz klar an erster Stelle, dann kommt der Fernbus und dann erst das Auto.“ Auch die kostenfreie Nutzung des Nahverkehrs für alle AlbCard-Besitzer wird auf der Seite zur Anreise prominent hervorgehoben.

Zur positiven Kommunikation nachhaltiger Mobilität gehört für Andreas Braun auch, jene Angebote und Erlebnisse besonders hervorzuheben, die mit dem Auto gar nicht erst möglich wären. „Wenn unsere Gäste mitbekommen, wie einfach sich zum Beispiel eine Streckenwanderung mit dem Fahrplan der Regionalzüge kombinieren lässt, spielt das Auto bei der Planung des Ausflugs ganz schnell keine Rolle mehr.“ Gleiches gelte für Angebote wie die Fahrradmitnahme, die noch viel stärker kommuniziert werden könnten.

Und schließlich dürfe man bei der Kommunikation auch die Einheimischen nicht vergessen. Denn oft seien es gerade sie, die nachhaltige Mobilitätsangebote vor Ort noch zu wenig nutzen. „Hier wollen wir im Hochschwarzwald ansetzen“, sagt Patrick Schreib, „und ein Bewusstsein dafür schaffen, wo man auch als Einheimischer das Auto im Alltag mal stehen lassen kann und welche attraktiven Alternativen es gibt“. Wichtig sei aber immer, dass die Angebote sympathisch und überzeugend sind. „Dann werden sie auch angenommen, egal ob von Einheimischen oder von Gästen.“



Autor(in): Martin Knauer
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Pressesprecher
E-Mail: m.knauer@tourismus-bw.de
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