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Besucherlenkung im Corona-Winter

Während im vergangenen Jahr der Schnee oft ausblieb, erfreuen sich diesen Winter oft nicht nur die Höhenlagen Baden-Württembergs ungewohnter Schneemassen, die die verschneite Natur in ein Winter-Wunderland verwandeln. Was unter normalen Umständen die Herzen der Gastronomie und Liftbetreibenden höherschlagen lässt, sorgt in Coronazeiten zunehmend für Unmut in den betroffenen Gemeinden.

Seit Schnee liegt, herrscht besonders an den Wochenenden reger Andrang auf den Wanderparkplätzen in beliebten winterlichen Ausflugszielen wie dem Schwarzwald, der Schwäbischen Alb oder dem Württembergischen Allgäu. Die Folge: Zugeparkte Parkplätze, Äcker und Straßenränder, achtlos weggeworfener Müll und Massen im Schnee – und das in Zeiten, in welchen „Abstand“ oberstes Gebot ist. Leidtragende sind aber auch Skilangläuferinnen und Langläufer. Oft sind es ortsansässige Vereine, die ehrenamtlich mit großem finanziellem Aufwand professionelle Loipen präparieren, die dann in kürzester Zeit zertrampelt werden.

Im schwäbischen Sonnenbühl hatte man den drohenden Konflikt bereits im Dezember kommen sehen und sich mittels Videobotschaft frühzeitig an die Tagesgäste gewandt – mit eher mäßigem Erfolg.

Matthias Winter, Bürgermeister der Gemeinde Römerstein, äußert sich gegenüber der Schwäbischen Zeitung sehr besorgt über die Menschenmassen: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das […] mal sage, aber ich bin nicht glücklich über die vielen Menschen“. Aufrufe zum Verzicht aus der Politik zeigen bislang nur wenig Wirkung. Daher hatte man in Stuttgart jüngst immer wieder verstärkte Straßenkontrollen oder Parkplatzsperren angekündigt, um den Andrang besser zu bewältigen.

Kreative Lösungen vor Ort

„Reisende soll man nicht aufhalten“ ist ein altes deutsches Sprichwort. Doch wie kann es unter den aktuellen Bedingungen den Tourismusschaffenden im Land gelingen, ihre Gäste auch im Winter dorthin zu lenken, wo sie sicher und mit Abstand erholsame Stunden in der freien Natur verbringen können? Insbesondere vor Ort ist in diesem Winter beim Thema Besucherlenkung oft schnelles und flexibles Handeln gefordert. Vielerorts wurden kurzfristig funktionierende Lösungen auf die Beine gestellt. Dabei muss es nicht immer der ganz große Coup sein. Oftmals sind es kleine Initiativen, die eine große Wirkung entfalten können, wie zahlreiche Best Practice Beispiele aus den besonders betroffenen Regionen zeigen.

Entzerrung auf Loipen. Wegen und Rodelhängen

Im Aalener Nordic Park setzt man auf Entzerrung: „Wir haben mehr Zugänge zur Loipe geschaffen um nicht zu viele Menschen auf einem Fleck zusammen zu bringen”, erklärt Peter Friedl von der Stadt Aalen in der Schwäbischen Post. Auf den bewusst langen Runden verteilen sich die Wintersporttreibenden dann, sodass es nirgends zu Ansammlungen kommt.

Ähnliches lässt Herbert Kreuz, Pressesprecher der Hochschwarzwald Tourismus GmbH, verlauten. „Wir haben die Rückmeldung, dass sich die Leute vernünftig verhalten“, sagt er der Badischen Zeitung. „Es gibt Loipen, da ist schon mehr los. Aber die sind professionell organisiert, haben mehrere Einstiege, es gibt Parkplätze. Da kann man sich aus dem Weg gehen.“

Positiv hervorzuheben ist Bernau im Hochschwarzwald. Mittels einer vielseitig ausgebauten Angebotsstruktur bestehend aus Loipen, Rodelflächen und Winterwanderwegen soll das einheimische und auswärtige Publikum so gelenkt werden, dass genügend Abstand zueinander gehalten werden kann. Aufgestellte Spendenkässchen unterstützen bei der Refinanzierung.

Loipen ganz zu schließen, ist keine Option. Da sind sich die Tourismusverantwortlichen größtenteils einig. Neben dem Verlust der lenkenden Wirkung von Loipen, die gerade auch unter ökologischen Gesichtspunkten wichtig ist, würden damit Einheimische und alle, die sich ganz coronakonform im Freien aufhalten, zusätzlich bestraft werden.

Freiwillige im analogen Einsatz vor Ort

Nachdem der Videoappell nicht den gewünschten Effekt erzielte, behilft man sich in Sonnenbühl mittlerweile ganz analog, wie die Tourismuschefin Ulrike Müller dem Reutlinger Generalanzeiger schilderte. „Wir haben einen Aufruf an Vereine gestartet, damit sich Freiwillige melden, die uns unterstützen.“ Diese positionieren sich nun an Wochenenden, ausgestattet mit Flyern, an den Zufahrtstraßen und informieren die Erholungssuchenden über Parkplätze, Schlittenhänge und Loipen in ganz Sonnenbühl. Einen kleinen Digitalaspekt gibt es dann aber doch. Über eine WhatsApp-Gruppe stehen die Freiwilligen miteinander in Kontakt, um sich gegenseitig über die jeweilige Situation zu informieren. Sind die Parkplätze an einem Ort überlastet, werden die ankommenden Pkws direkt umgeleitet. Es existieren mehrere Hundert Parkmöglichkeiten in und um Sonnenbühl. Nicht immer unbedingt direkt am Hang. „Aber man kann ja mit seinem Schlitten auch mal ein paar Hundert Meter laufen“, sagt Müller.

Selbstredend kann nicht überall auf freiwilliges Engagement gesetzt werden, wo es an Personal und Budget mangelt. Jedoch können Parkplatzgebühren Abhilfe schaffen. Neben einer lenkenden Wirkung kann damit auch in Zeiten des Lockdowns etwas touristische Wertschöpfung mit den teils „ungeliebten” Tagesgästen erzielt werden.

Intelligente digitale Kommunikation

Flächendeckend wurden Webcams abgeschaltet und es wird auf winterliche Motive in den Sozialen Medien verzichtet, um in die ohnehin schon überlasteten Gebiete nicht noch mehr Schneesuchende zu locken. Entgegen diesem Trend verweist man im Landkreis Freudenstadt gezielt auf die hohen Reichweiten, die sich über die digitale Kommunikation erzielen lassen. Die Landkreis-Tourismus-Beauftragte Monika Krämer wirbt für die zahlreichen Alternativen, die aktuell weniger frequentiert werden. Sie verweist zum Beispiel auf den Instagram-Kanal „Landerleben im Schwarzwald“, der Wanderwege und Rodelhänge abseits von Publikumsmagneten bewirbt. Verlinkte Winterkarten empfehlen zusätzlich Winterwanderwege, die noch nicht so überlaufen sind. Krämer ist überzeugt davon: Eine kurze Internet-Recherche eröffnet ausreichend Alternativen für alle, die es ins Freie zieht.

Nun sind Baden-Württembergs Tourismusverantwortliche gefragt, die oftmals bereits vorhandene Digitalinfrastruktur oder auch kreative analoge Lösungen effektiv zu nutzen, um chaotische Szenen an den winterlichen Ausflugszielen in Zukunft zu vermeiden. Der nächste Wintereinbruch kommt gewiss!

HINWEISE

Ein Best Practice Beispiel für eine gelungene digitale Besucherlenkung bietet unter anderem die Website der Winterregion Münstertal-Staufen.

Eine Übersicht über digitale Lösungen und Tools zur Besucherlenkung finden Sie auf der Website der IHK.

Das Portal „wirhaltenzusammen-bw.de“ bietet Destinationen die Möglichkeit, Corona-Merkmale für Gastgeber, Restaurants, Läden und Einrichtungen zu pflegen. Grundlage für die Seite ist die Datenbank mein.toubiz. Erster Ansprechpartner für Leistungsträger, die einen Eintrag im Portal wünschen, ist die Touristinformation vor Ort.

 

Haben Sie in Ihrem Ort oder in Ihrer Region alternative Lösungen zur Besucherlenkung in diesem Winter entwickelt? Dann informieren Sie uns gerne darüber unter corona@tourismus-bw.de.EE

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