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ÖPNV und Tourismus: Eine Herausforderung

12.07.2019

Mit dem ÖPNV und dem Tourismus ist es nicht immer ganz so leicht. Zum Teil klaffen große Mobilitätslücken und alles ist viel zu kompliziert. Doch es gibt vielversprechende Initiativen und Erfolgsprojekte, mit denen das Angebot besser, einfacher und billiger wird.

Von Andreas Steidel

Im Dezember 2018 gab es eine richtig gute Nachricht für alle, die in Baden-Württemberg den ÖPNV benutzen: Mit einem einzigen Ticket kann man künftig über alle Verkehrsverbünde hinweg sein Ziel erreichen. Egal, ob das mit Bussen oder Bahnen ist, die Innenstadt oder das flache Land betrifft. Wer öffentlich etwa von Ulm zur Burg Hohenzollern fahren will, muss nur noch einmal am Fahrkartenautomat ein Billet lösen, fertig.

Ein Ticket für ganz Baden-Württemberg

Viele glaubten ihren Augen nicht zu trauen, zumal der neue „bwtarif“ auch noch billiger ist als die Summe der Einzelfahrten. Maximal 29,80 Euro darf eine Fahrkarte kosten, egal, wie entfernt das Ziel liegt. Das neue Ticket, das über die Grenzen sämtlicher 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg hinweggeht, ist Teil einer umfassenden Initiative der Dachmarke „bwegt“, die vor zwei Jahren den Drei-Löwen-Takt abgelöst hat.

„Bwegt“ ist ein Projekt der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg und des Landesverkehrsministeriums, mit dem Ziel, den öffentlichen  Nahverkehr attraktiver und  bekannter zu machen. Und das keineswegs nur für Pendler und Berufstätige: Ausdrücklich hat der Verbund auch Ausflügler und Urlauber im Blick, wie Axel Dürr, Pressesprecher des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg betont. Ziel sei es, eine nachhaltige Mobilität langfristig zu fördern und die Leute zum Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu animieren.

Maßgefertigte Lösungen für jede Tourismusregion

Das freilich ist gar nicht so einfach. Denn noch immer klaffen große Mobilitätslücken im Land. Vielfach ist der öffentliche Nahverkehr nicht auf den Tourismus ausgerichtet und der Tourismus nicht auf den öffentlichen Nahverkehr. „Man macht keine Werbung füreinander und kennt sich oft gar nicht“, sagt etwa Thorsten Fromm, Präsidiumsmitglied der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG).

Die DVWG veranstaltet immer wieder Kongresse zum Thema „ÖPNV und Tourismus“, mit dem Ziel, die beiden einander näherzubringen. Sein Fazit: Die Bereitschaft der Menschen, Busse und Bahnen in der Freizeit und am Urlaubsort zu benutzen ist hoch, „aber nur wenn das Angebot stimmt“. Erfahrungsgemäß bringt es dabei nichts, ein Konzept auf alle Regionen zu übertragen, „jeder muss seine eigene auf die jeweilige Umgebung zugeschnittene Lösung finden“.

Wanderbusse als Werbe- und Imagefaktor

An einer solchen Lösung arbeitet gerade das Donaubergland. Dort fährt seit 2018 an allen Sonntagen von Mai bis Oktober ein Wanderbus vom Tal auf die Höhe. Ziel ist vor allem die bessere Anbindung der zahlreichen Qualitäts- und Premiumwanderwege, die auf den Hügeln links und rechts der Donau zu finden sind. Dreimal am Tag zieht der Bus eine Schleife und nimmt Wanderer mit.

Im Idealfall sind die bereits mit der Bahn angereist, denn im Donautal selbst verkehrt seit 20 Jahren der Naturparkexpress, ein Zug der Hohenzollerischen Landesbahn, der auch Radfahrer mitnimmt. Die sind das zweite große Klientel in der Region, weshalb der Naturparkexpress auch einen eigenen Radwaggon hat, mit zusätzlichem Personal, das hilft, die schweren E-Bikes einzuladen.

Ob die Busse jemals so gut genutzt werden, wie die Züge, ist derzeit noch offen. „Es braucht Zeit, bis es bekannt ist“, sagt Walter Knittel, Geschäftsführer der Donaubergland Marketing und Tourismus GmbH. Knittel hofft, dass das Wanderbusangebot langfristig etabliert werden kann, zumal ein guter ÖPNV zunehmend auch ein Werbe- und Imagefaktor für eine Region ist: „Wir brauchen ein Umdenken, einen nachhaltigeren Tourismus“, sagt Knittel. Überdies ist eine gute öffentliche Anbindung auch eine Voraussetzung dafür, dass die Premium- und Qualitätswege in die Gruppe der „Leading Quality Trails of Europe“ aufgenommen werden können.

KONUS als Vorbild für viele Gästekarten

Die größte und älteste Erfolgsgeschichte von ÖPNV und Tourismus ist KONUS, die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im Schwarzwald. Urlauber, die in einem Beherbergungsbetrieb der KONUS-Mitgliedsgemeinden übernachten, können ihre Gästekarte einfach als Fahrschein für Busse und Regionalbahnen einsetzen.

Rund 50 Prozent tun das auch tatsächlich und entlasten damit die Straßen in nicht unerheblichem Maße. „Attraktiv sind vor allem die Bahnstrecken“, sagt Wolfgang Weiler, Leiter der Unternehmenskommunikation bei der Schwarzwald Tourismus GmbH (STG). So mussten auf der Höllentalbahn der Takt verkürzt und die Züge verlängert werden.

Das Erfolgsrezept von KONUS liegt freilich nicht nur in der Vielzahl der interessanten Bahnstrecken und der Tatsache, dass man dafür nichts bezahlen muss. Ein Pluspunkt ist auch der unkomplizierte Weg zum Ticket: Wer eine KONUS-Gästekarte hat, braucht sich keine Gedanken mehr zu machen, welchen Tarif er nun am Automaten wählen muss.

„Viel zu kompliziert:“ Das ist auch die Kritik von Tourismusforscher Karl Born an zahlreichen Ticketangeboten im öffentlichen Nahverkehr. „Wer fremd ist, versteht es noch viel weniger als die Einheimischen und selbst die haben oft Probleme.“ Am besten sei, wenn schon das Hotel die entsprechenden Informationen und Angebote bereithalte.

Eine Integration des ÖPNV in Gästekarten, wie im Falle von KONUS, begrüßt Born ebenso wie andere All-Inclusive-Pakete, die das Leben leichter machen. Hauptsache, man muss nicht für jede Fahrt ein neues Ticket lösen: „Die Handhabung ist in jeder Stadt und Region anders und das gilt auch für die Frage, ob und wie man die Fahrkarte entwerten muss.“

Vereinfachung der komplizierten Zonenmodelle

Damit die Gäste der Landeshauptstadt Stuttgart ihren Aufenthalt in guter Erinnerung behalten, ist dort die Netzkarte für den Verkehrsverbund (VVS) inklusive. Voraussetzung: Sie haben ihre Übernachtung bei der Stuttgart-Marketing GmbH gebucht. „Das ist ein echter Mehrwert und ein Wettbewerbsvorteil für uns“, sagt Geschäftsführer Armin Dellnitz.

Dellnitz ist dennoch froh, dass auch diejenigen von einem verbesserten ÖPNV-Angebot profitieren, die nicht über Stuttgart Marketing gebucht haben: Denn im April 2019 trat beim Verkehrsverbund die größte Tarifreform der Geschichte in Kraft. Dabei wurde der Dschungel an Fahrpreisen und Zonen gelichtet und das Angebot im Durchschnitt billiger.

„Ein großer Wurf“, sagt Dellnitz, der aus touristischer Sicht freilich die Vereinfachung für wichtiger erachtet als die Verbilligung: „Wer nur zwei oder drei Tage in der Stadt ist, macht meistens nicht am Preis rum, sondern will es möglichst simpel haben.“

Neue Generation von Gästekarten

Die Verbindung von ÖPNV und Übernachtung führt zu immer weiter gehenden Ideen und Angeboten im Land. So sind in der Hochschwarzwald-Card nicht nur Busse und Bahnen inklusive, sondern auch zahlreiche weitere Leistungen wie das Badeparadies am Titisee oder die Lifte am Feldberg. Der Unterschied zu KONUS ist dabei, dass die Beherbergungsbetriebe und nicht die Orte sich dafür entscheiden müssen, Mitglied zu werden. Die entsprechende Umlage pro Übernachtung müssen sie in ihre Kalkulation einfließen lassen, der Gast bezahlt dafür nichts extra.

Ein ähnliches Modell schwebt auch Louis Schumann vor, dem Geschäftsführer von Schwäbische Alb Tourismus. Eine Vielzahl von touristischen Leistungsträgern hat sich dort schon bereit erklärt mitzumachen, nun gilt es noch Hotels in ausreichender Zahl zu finden, damit sich das Ganze trägt. Geht alles gut, könnte die Schwäbische Alb 2020 mit dem Angebot an den Start gehen und die neue Gästekarte inklusive ÖPNV und Sehenswürdigkeiten bewerben.

Ziel sämtlicher ÖPNV-Initiativen ist es auch, die Urlauber zu einem generellen Umsteigen auf Busse und Bahnen zu bewegen. Das freilich ist jenseits der großen Städte und Verkehrsverbünde nicht ganz einfach. Trotz aller Fortschritte, die es gibt und gegeben hat: Beim Thema ÖPNV und Tourismus ist noch viel Luft nach oben und Raum für Kreativität, da sind sich alle Beteiligten einig.

Über diesen Text:
Der Beitrag unseres Autors Andreas Steidel ist eine Kurzfassung seines Artikels in der jüngsten Ausgabe des Magazins Tourismus Aktuell. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Martin Knauer
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Pressesprecher
E-Mail: m.knauer@tourismus-bw.de
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