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Was sich unsere Zielgruppen wünschen

04.11.2021

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Deutschen Institut für Tourismusforschung (DITF) der FH Westküste hat die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) die Zielgruppen für das Urlaubsland wissenschaftlich untersuchen lassen, um mehr über die Wünsche und Erwartungen von Urlaubsgästen herauszufinden. Baden-Württemberg war dabei Praxispartner der sogenannten Benefit-Segmentierung im Tourismus (BeST) und hat als erstes Bundesland die BeST-Zielgruppen ins Destinationsmarketing integriert.

Eine Auszeit am Badesee nehmen und die Seele baumeln lassen, die Umgebung aktiv bei einer Bergwanderung erkunden oder aber dem Hüttenwirt gespannt in einer warmen Sommernacht lauschen, während er von der Zubereitung des hofeigenen Bergkäses berichtet? Geht es dabei um mich oder eher um mein Umfeld und welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen?

Gäste stellen unterschiedliche Nutzen-Erwartungen an ihre Urlaubsreisen. Sie haben unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen von einem erfüllenden Urlaubserlebnis. Während einige Urlaubsgäste ein optimales Erlebnis durch aktives Eintauchen in die Destination erlangen und den Wunsch verfolgen, Land und Leute kennenzulernen oder etwas über die Kultur und Geschichte vor Ort zu erfahren, stehen das Abschalten vom Alltag, Entspannung und Nichtstun auf dem Wunschzettel anderer Gäste. Wenngleich Reiseziele oftmals die Ressourcen (z. B. den Schwarzwald) und Potenziale (z. B. die Schaffung von Wanderwegen) zur Erreichung unterschiedlicher Nutzen-Erwartungen vorhalten können, gilt es, sich auf die potenzialträchtigsten Themen wie auch Zielgruppen zu fokussieren.

Eine effektive Marktbearbeitung erfordert daher die Identifikation von relevanten Marktsegmenten. Bei einem psychographischen Segmentierungsansatz, der zudem die Nutzen-Erwartungen an die touristische Dienstleistung oder das Erlebnis in den Fokus der Segmentierung stellt, ergibt sich zunächst die Frage, was Urlaubsreisende von ihrem Aufenthalt erwarten. Nur wenn die individuellen Erwartungen an den Nutzen der Urlaubsreise verstanden werden, können auch zielgruppenspezifische Erlebnisangebote geschaffen und diese zielgerichtet vermarktet werden. Gelingt dies der Destination, kann ein Wettbewerbsvorteil erzielt werden.

Wissenschaftliche Grundlagen

Die TMBW hat sich der Aufgabe einer Zielgruppensegmentierung angenommen und gemeinsam mit dem DITF potenzialträchtige Zielgruppen für das Reiseland Baden-Württemberg auf Basis der sogenannten Benefit-Segmentierung im Tourismus (BeST) identifiziert. Mit dem Ziel, den deutschen Urlaubsreisemarkt nutzenorientiert in eindeutige Zielgruppen zu segmentierten, wurde die BeST als Forschungsprojekt am DITF initiiert. Baden-Württemberg fungierte in diesem mehrstufigen Segmentierungsprozess als Praxispartner und ist das erste deutsche Bundesland, das die BeST-Zielgruppen im Destinationsmarketing integriert hat.

Im Rahmen von qualitativen und quantitativen Vorstudien im Januar und Februar 2020 wurden zunächst sechs psychographische Dimensionen deutscher Urlaubsreisender ermittelt. Für jede Dimension wurde eine eher aktiv-positive (z. B. Immersion) und eine passiv-negative Ausprägung (z. B. Distanz) abgeleitet, so dass insgesamt zwölf Ausprägungen identifiziert werden konnten.

In einem zweiten Analyseschritt wurden für jede der zwölf Ausprägungen drei Fragen entwickelt, welche dann hinsichtlich ihrer Relevanz für die Segmentbildung untersucht wurden. Hierfür wurde im März 2020 eine Online-Erhebung mit 2.000 deutschen Urlaubsreisenden (mindestens eine Urlaubsreise ins In- oder Ausland) durchgeführt. Drei aktive Segmentierungs-Dimensionen konnten ermittelt werden:

  1. Destinationsbezug – Immersion und Lernen (IL-Score)
  2. Aktivitätsbezug – Aktivität und Abwechslung (AA-Score)
  3. Nachhaltigkeitsbezug – Ökologische Nachhaltigkeit (ÖN-Score)

Auf Basis des Destinationsbezugs und Aktivitätsbezugs konnten zunächst vier Clusterzentren identifiziert werden, welche dann durch den Nachhaltigkeitsbezug weiter angereichert wurden. Somit ergeben sich insgesamt acht BeST-Urlaubertypen, wobei je Clusterzentrum ein BeST-Urlaubertyp als nachhaltig ausgerichtet und ein BeST-Urlaubertyp als nicht nachhaltig ausgerichtet definiert werden kann. Hierbei ist anzumerken, dass nicht nachhaltig ausgerichtete Urlaubsreisende nicht automatisch ohne Umweltbewusstsein reisen. Nachhaltigkeitsaspekte stehen nur nicht im Zentrum der Nutzen-Erwartung.

Die Kernzielgruppen für Baden-Württemberg

Um aus diesen acht BeST-Urlaubertypen die für Baden-Württemberg potenzialträchtigsten Zielgruppen herauszustellen, wurde auf Basis einer durch die dwif-Consulting GmbH durchgeführten Produktmarkenstudie eine mehrstufige Nutzwertanalyse berechnet. Zentrale Fragestellungen waren hierbei, für wie geeignet Baden-Württemberg für die Produktmarken und Themen durch die acht BeST-Urlaubertypen eingestuft wird und wie groß das allgemeine Interesse an den Themen ist. Auf Basis der Berechnung konnten die Zielgruppen BeST 1 (nachhaltig ausgerichtete Intensivurlauber) und BeST 3 (nachhaltig ausgerichtete Eintaucher) als Kernzielgruppen für das Reiseland Baden-Württemberg identifiziert werden. Bei beiden Kernzielgruppen liegt ein hoher Destinationsbezug vor, Urlaubsgäste wollen in die Destination eintauchen und etwas über Land und Leute erfahren. Während BeST-1-Gäste dabei auch viel Abwechslung suchen und sich aktiv in besondere Erlebnisse einbringen möchten, rückt Abwechslung bei den BeST-3-Gästen eher in den Hintergrund. Zudem ist der Wunsch nach Erfüllung von Nachhaltigkeitsaspekten bei beiden Kernzielgruppen überdurchschnittlich ausgeprägt.

Auf Basis weiterer Kriterien können die BeST-Urlaubertypen beschrieben werde. Beispielsweise sind BeST-3-Gäste im Zielgruppenvergleich etwas älter und leben in Ein- oder Zweipersonenhaushalten ohne Kinder. Demgegenüber sind BeST-1-Gäste überdurchschnittlich häufig jünger als 40 Jahre und leben mit Kindern unter 13 Jahren im Haushalt. Für beide Kernzielgruppen liegt eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft zu längeren Urlaubsreisen und auch Kurzurlauben nach Baden-Württemberg vor.

Weitere Zielgruppen für den Süden

Neben den zwei Kernzielgruppen ergeben sich themenspezifisch auch Potenziale für die folgenden drei Ergänzungszielgruppen:

  • BeST 2 – nicht nachhaltig ausgerichtete Intensivurlauber
  • BeST 4 – nicht nachhaltig ausgerichtete Eintaucher
  • BeST 7 – nachhaltig ausgerichtete Relaxer

Ausführliche Analysen der zielgruppenspezifischen Ergebnisse aus der dwif-Produktmarkenstudie sowie angebotsorientierte Analysen ermöglichen nun nachfrageorientierte Produktgestaltungen sowie zielgruppengerechte Marketingmaßnamen. Hierfür wurden im Rahmen einer digitalen Ideenwerkstatt mit allen Produktmarkenmanagerinnen und -managern der TMBW erste Ansätze gemeinsam erarbeitet, welche nun weiter spezifiziert und im operativen Marketing umgesetzt werden. Aufgabe für die TMBW ist es nun, außergewöhnliche Besuchsanreize zu schaffen, um die Nutzen-Erwartung der vielseitig interessierten Intensivurlauber (BeST 1) zu erfüllen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Eintaucher (BeST 3) hinter die Kulissen schauen können, um Baden-Württemberg in all seinen Facetten kennenzulernen.

 

INFORMATION

Ein Gastbeitrag von Dr. Sabrina Seeler, die das Projekt „Benefit-Segmentierung im Tourismus (BeST)“ leitet. Die promovierte Tourismusforscherin ist Lehrkraft für besondere Aufgaben im Studiengang Internationales Tourismus Management an der Fachhochschule Westküste. Sie ist zudem Forschungsmitglied und Projektleiterin im Deutschen Institut für Tourismusforschung (DITF), wo sie außerdem eine Studie zur Messung der Tourismusakzeptanz (TAS) der deutschen Wohnbevölkerung verantwortet.

ditf-fhw.de

 

Eine gedruckte Fassung dieses Textes erschien in der jüngsten Ausgabe des Magazins Tourismus Aktuell. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de

Bildnachweis: TMBW/Düpper



Autor(in): Oliver Gelhardt
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: o.gelhardt@tourismus-bw.de


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