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„Filmtouristen nicht enttäuschen“

12.06.2023
©Quelle: (c) Marc Wilhelm, Fuchsrot Creative Media Production

Was muss ein Film mitbringen, damit er Menschen in eine Region zieht? Und wie schafft man es, das Potenzial zu nutzen? Ein Gespräch mit dem Filmtourismusexperten Stefan Rösch.

Warum sollten sich Länder, Regionen und Orte mit Filmtourismus beschäftigen, Herr Rösch?
Es gibt zum einen die treuen Fans eines Films, die sowieso kommen – auch wenn die Touristiker zunächst gar nichts dafür tun. Das hat zum Beispiel Neuseeland mit „Herr der Ringe“ erlebt. Aber das Problem ist: Wenn es nichts zu sehen gibt oder Drehorte nicht zugänglich sind, habe ich enttäuschte Gäste in meiner Region. Wer die Chance hingegen nutzt, kann auch Besucher anlocken, die keine Drehorttouristen im engeren Sinne sind.

Welches Potenzial steckt darin?
2018 ist jeder sechste Besucher aus dem Ausland deshalb nach Nordirland gereist, weil ihn die Serie „Game of Thrones“ dazu animiert hat. Ein weiteres Beispiel ist Neuseeland: 2019, also fast 20 Jahre nach dem ersten „Herr der Ringe“-Film, haben zwölf Prozent aller Gäste aus dem Ausland dort ein filmtouristisches Angebot genutzt.

Zur Person:

Stefan Rösch hat seine Doktorarbeit zum Thema Filmtourismus an einer Universität in Neuseeland geschrieben, wo er auch heute lebt. Seit 2006 berät er Tourismusorganisationen zu diesem Thema. Er hat an touristischen Produkten, beispielsweise für „Game of Thrones“, mitgearbeitet und filmtouristische Strategien für Länder wie Jordanien erstellt.

www.filmquest.co

Was kann ich als Destination dafür tun?
Das Wichtigste ist, darauf vorbereitet zu sein. Im Film geschehen Dinge oft von heute auf morgen. Oft wissen die Touristiker aber nichts davon und erfahren erst aus der Presse, dass in der Region gedreht wird. Oder sie wissen nicht, wie sie es anpacken sollen. Dabei spricht so viel dafür, sich damit zu beschäftigen und in touristisches Filmmarketing zu investieren.

Was genau?
Mit dem Film als Werbeplattform erreiche ich mit geringeren Mitteln viel mehr Menschen als mit einer klassischen Kampagne. Ganz wichtig ist es dabei, früh mit der Produktionsfirma Kontakt aufzunehmen – am besten vor Beginn der Dreharbeiten. Wenn eine Zusammenarbeit zustande kommt und die Rechte geklärt sind, sodass man Material aus dem Film für eigene Kampagnen nutzen darf, ist das unschlagbar.

Woher weiß man so früh überhaupt, ob ein Film Touristinnen und Touristen anzieht?
Ich habe zum Beispiel für Visit Britain lange vor den Dreharbeiten zu „Paddington“ das Drehbuch auf sein touristisches Potenzial geprüft. Reale Orte müssen benannt sein, damit überhaupt eine Verbindung entstehen kann und die Reisesehnsucht geweckt wird. Wenn der Ort sogar im Titel genannt wird, wie bei „Notting Hill“, ist das ideal. Außerdem haben Serien Vorteile gegenüber Spielfilmen.

Weil sie länger laufen?
Ja, oft sogar über mehrere Staffeln. Man verbringt viel mehr Zeit mit den Charakteren und das Bedürfnis, die Drehorte aufzusuchen, wird größer. Wenn es 150 Drehorte in Nordirland gibt wie bei „Game of Thrones“, kann man sicher ein paar davon besuchen. Die Tourismusorganisation hat dort sogar noch weitere Anlaufstellen geschaffen.

Wie das?
In „Game of Thrones“ ist eine Allee zu sehen, die sich zur Top-Attraktion entwickelt hat. Die Straße musste für Autos gesperrt werden, weil viele Fans dort geparkt haben. 2016 hat dann ein Sturm ein paar Bäume umgelegt. Tourism Ireland ließ aus ihren Stämmen zehn Holztüren schnitzen, die Motive aus „Game of Thrones“ zeigen, und in Pubs platzieren. Die Pubs selbst sind zu Attraktionen geworden. Dabei liegen sie bewusst nicht in der Nähe der Drehorte, sondern wurden so verteilt, dass man durch ganz Nordirland reisen muss, um alle zu besuchen. Für mich ist das die beste Filmtourismuskampagne aller Zeiten.

Dieses Interview ist die Online-Version eines Artikels unserer Autorin Claudia List aus der jüngsten Ausgabe des Magazins „Tourismus Aktuell“. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos heruntergeladen, bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner für “Tourismus Aktuell”:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Tim Müller
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Projektmanager Kommunikation & Koordination
E-Mail: t.mueller@tourismus-bw.de


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