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“Raus aus der Bittsteller-Rolle”

02.10.2023

Die Kosten steigen, aber die Budgets nicht: Viele DMOs stehen vor der Frage, wie sie künftig ihre Aufgaben finanzieren können. Von der Fremdenverkehrsabgabe über die Bettensteuer bis hin zu Tourismusfonds gibt es verschiedene Modelle – mit Vor- und Nachteilen.

Die Schwarzwald Tourismus GmbH (STG) kann sich über mehr Geld von ihren Gesellschaftern freuen. Ihre zwölf Landkreise zahlen ab dem kommenden Jahr 25 Prozent mehr, also anstelle von 10 Cent pro Übernachtung 12,5 Cent. Die vier Stadtkreise zahlen 50 Prozent mehr, was künftig drei Cent pro Übernachtung statt zwei Cent bedeutet. Auch bei den Wirtschaftspartnern wird der Beitrag erhöht.
Etwa ein halbes Jahr und mehrere Sitzungen hat es gedauert, bis alle überzeugt waren. »Vor allem aber hat die Qualität unserer Arbeit überzeugt«, sagt STG-Geschäftsführer Hansjörg Mair, »und wenn wir diese Qualität halten wollen, brauchen wir mehr Geld.« Allerdings sorgt das, was nach einer satten Erhöhung klingt, laut Mair nicht einmal für den Inflationsausgleich: »Seit der Gründung der STG 2006 hat sich die Berechnungsgrundlage nie erhöht«, sagt der Tourismuschef, »die Inflation lag im selben Zeitraum bei 30 Prozent und mit den höheren Beiträgen können wir zwar nicht alles, aber immerhin die Hälfte davon auffangen.« Steigende Kosten und stagnierende Budgets machen vielen DMOs die Arbeit schwer – und das auch noch in Zeiten, in denen die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt groß ist und attraktive Gehälter wichtig wären. Vom Land Baden-Württemberg fließt eine Basisförderung in die Regionen, die sich an der Zahl der gemeldeten Übernachtungen bemisst. Darüber hinaus fördere das Land auf Antrag auch Projekte, erklärt Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW).

Breite Auswahl an Finanzierungsmodellen

Eine Tourismussteuer wie in Tirol gibt es hierzulande nicht: Dort wird sie schon seit den 1920er-Jahren von allen Unternehmen eingefordert, die unmittelbar oder mittelbar einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Tourismus ziehen – vom Ausflugslokal bis zum Bauunternehmen. Das spült jährlich rund 120 Millionen Euro in die Kasse. Dieser Pflichtbeitrag bildet »gemeinsam mit den von den Gästen zu tragenden Aufenthaltsabgaben das budgetäre Fundament der lokalen und regionalen Tourismusorganisationen«, schreibt das Land Tirol auf seiner Website.
Doch nicht alle finden das gerecht. Hohe mediale Wellen schlug beispielsweise, als der Autor Felix Mitterer, der in den 1990er-Jahren das Drehbuch zum bekannten TV-Vierteiler »Piefke-Saga« geliefert hatte, 2022 seine Heimat wegen der Abgabe verließ. Die Begründung: Nicht er müsse zahlen, eigentlich sollte er Geld dafür bekommen, weil er die Region bekannt gemacht habe. Immer wieder klagen auch Unternehmen gegen die Zwangsabgabe, wie unlängst die Planungs-Projektgemeinschaft für den Brenner-Basistunnel.
Solche Klagen kennt man auch in Baden-Württemberg. Hier können die Kommunen Fremdenverkehrsbeiträge erheben. Die Höhe ist, wie auch in Tirol, gestaffelt je nach Nutzen, den der jeweilige Betrieb vom Tourismus hat. Viele Kurorte wie Bad Mergentheim, Bad Dürrheim, Baden-Baden und Todtmoos machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. »Das Potenzial ist aber noch nicht ausgeschöpft«, sagt TMBW-Chef Braun.
Verankert ist die Abgabe in Paragraf 44 des Kommunalabgabengesetzes. Neben den Gemeinden, die eine Anerkennung als Kur- und Erholungsort haben, können auch alle »sonstigen Fremdenverkehrsgemeinden« diese Fremdenverkehrsbeiträge erheben. »Der Begriff des Fremdenverkehrs ist dabei weit auszulegen«, so Carsten Dehner, Pressesprecher des baden-württembergischen Innenministeriums. »Er umfasst sämtlichen Reiseverkehr mit vorübergehendem Aufenthalt an fremden Orten zur Erholung, Bildung, zum Vergnügen, zu geschäftlicher oder beruflicher Betätigung, vielfach aus besonderen Anlässen oder Veranstaltungen wie Festspielen, Messen, Ausstellungen oder Tagungen.« In Hessen ist diese Möglichkeit an die Übernachtungszahl geknüpft: Die »Tourismusabgabe«, wie sie dort etwas moderner heißt, können Kommunen seit 2017 erheben, wenn sie doppelt so viele Übernachtungen wie Einwohner und Einwohnerinnen zählen. Um als Tourismusort anerkannt zu werden, kommen noch einige weitere Kriterien hinzu, wie »landschaftlich bevorzugte Lage« und »bedeutende kulturelle Einrichtungen«, so Katrin Müller, Pressereferentin im hessischen Wirtschaftsministerium. Derzeit gebe es 24 vom Regierungspräsidium Kassel geprüfte Tourismusorte in Hessen, wobei Frankfurt der erste war.

Der Zweck heiligt die Mittel

Der Vorteil der Tourismus- oder Fremdenverkehrsabgabe liegt für TMBW-Geschäftsführer Andreas Braun auf der Hand: »Nicht die Gäste müssen dafür zahlen, sondern die Unternehmen, die davon profitieren.« Außerdem ist das Geld zweckgebunden, das heißt, es fließt wieder in den Tourismus. Dies gilt grundsätzlich auch für die altbekannte Kurtaxe: Die kommunale Abgabe muss von den Übernachtungsgästen in einem staatlich anerkannten Kur- und Erholungsort bezahlt werden, das Geld darf nur in die touristische Infrastruktur fließen. Bei der Bettensteuer ist das hingegen nicht zwangsläufig der Fall.
»Steuern sind zwar eine einfache Möglichkeit, Einnahmen zu erzielen«, erklärt auch Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV), »aber sie sind nicht zweckgebunden, das heißt, es gibt zunächst keine Sicherheit, dass die Mittel auch tatsächlich in den Tourismus fließen.« Eine Bettensteuer könne sein Verband nur dann begrüßen, wenn sie eins zu eins dem Tourismus zugutekommt, wie es beispielsweise in Bremerhaven der Fall sei.
In Freiburg wird hingegen nur ein Teil der seit 2014 erhobenen Bettensteuereinnahmen dafür genutzt. Ein Tourismusbeirat, der damals bei der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) eingerichtet wurde, berät den Aufsichtsrat und den Gemeinderat, wofür die Mittel verwendet werden sollen. Umgesetzt wurden damit nach Auskunft der FWTM Projekte, wie beispielsweise der Markenprozess, ein Online-Veranstaltungskalender und ein neues Fußgängerleitsystem in der Innenstadt. Durch die gemeinsame Arbeit wurde aber laut Laila Moscatiello von der FWTM-Unternehmenskommunikation auch erreicht, dass »Vertreter und Vertreterinnen der Beherbergungsbetriebe direkt in die Arbeit der städtischen Tourismusförderung einbezogen werden und so eine gute, konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit entstanden ist.«

Öffentlich-private Co-Produktion

Eine Bettensteuer vermeiden will hingegen Wolfgang Dieterich, Geschäftsführer der Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH. Doch auch er kennt die Situation, dass für wünschenswerte Maßnahmen einfach zu wenig Geld in der Kasse ist, »und das wird in den nächsten Jahren sicher nicht einfacher.« Eine Alternative fand er im Tourismusfonds, wie ihn die Stadt Nürnberg 2010 eingeführt hat. Das Modell des Public-Private-Partnership basiert auf Freiwilligkeit: Die Stadt Nürnberg stellte zu Beginn jedes Jahr 250.000 Euro dafür zur Verfügung, später erhöhte sie auf 300.000 Euro – unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft eine Co-Finanzierung in gleicher Höhe leistet.
Wolfgang Dieterich putzte bei allen Fraktionen Klinken und führte viele Gespräche, bis es 2017 so weit war: 39 Partner aus der Privatwirtschaft in Ulm und Neu-Ulm gingen mit 35.000 Euro in Vorleistung und die Stadt verdoppelte den Betrag. Nach der Pandemie ist der Tourismusfonds nun wieder mit 27 Vertretern der Wirtschaft und 27.000 Euro gestartet.
Vor allem Gastronomie und Hotellerie sind in der »Koalition der Willigen« vertreten, wie Wolfgang Dieterich sie nennt. Mit dem Geld wurden Maßnahmen im Auslandsmarketing und Social-Media-Beiträge finanziert. Außerdem gab es Projekte, die auch gezielt den Beteiligten zugutekamen. In der neuen, mit Drohnen erstellten 360-Grad-Aufnahme von Ulm/Neu-Ulm sind beispielsweise ihre Betriebe verortet und sie können die Aufnahme für ihr eigenes Haus nutzen.
Das Fondsmodell, das auf Freiwilligkeit basiert, findet auch TMBW-Chef Braun attraktiv, »allerdings ist es sehr aufwendig, man muss viel Überzeugungsarbeit leisten und internationale Hotelketten sind oft nicht interessiert daran.« Dass viel Arbeit drinsteckt, bestätigt auch Tourismuschef Dieterich. Auf der anderen Seite wurde für diesen Fonds ein Kreativkreis gebildet, in dem man gemeinsam über die Verwendung des Geldes diskutiert. »Das war für uns Neuland«, sagt Dieterich, »aber dadurch wurde auch ein großes Wir-Gefühl erzeugt.«
»Die Tourismusfinanzierung ist eine freiwillige Aufgabe«, sagt DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz, »aber viele Orte bieten eine breite Infrastruktur mit Rad- und Wanderwegen, Bädern und einer attraktiven Tourist-Information. Dafür brauchen sie auch eine verlässliche, gerechte, transparente und auskömmliche Finanzierung.« Ins selbe Horn stößt Andreas Braun: Nicht zuletzt, weil der Tourismus zur Lebensqualität und zur lokalen Wertschöpfung beiträgt, müsse man »raus aus der Bittsteller-Rolle und die öffentliche Hand daran erinnern, dass ein nicht unerheblicher Teil der Steuereinnahmen aus dem Tourismus stammt und wir ein Recht darauf haben, dass ein Teil dieser Einnahmen auch wieder in die touristische Infrastruktur zurückfließt.«

Dieser Beitrag ist die gekürzte Online-Version eines Artikels unserer Autorin Claudia List aus der jüngsten Ausgabe des Magazins „Tourismus Aktuell“. Darin informiert die TMBW zweimal im Jahr über aktuelle Trends und Entwicklungen im Tourismus. Das Magazin kann kostenlos heruntergeladen, bestellt oder abonniert werden.

Ansprechpartner für “Tourismus Aktuell”:
Dr. Martin Knauer
m.knauer@tourismus-bw.de



Autor(in): Oliver Gelhardt
Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: o.gelhardt@tourismus-bw.de


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